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Der Untergang der Morning Midas

Die Morning Midas war ein Frachtschiff beladen mit Autos, das ab dem 26. Mai 2025 auf dem Weg von China nach Mexiko war. Am 3. Juni 2025 geriet es im Nordpazifik in Brand und die Crew konnte nach erfolglosen Löschversuchen von einem vorbeikommenden Frachtschiff aufgenommen werden. Es gab keine Toten oder Verletzten.

Am 16. Juni meldete die US Coast Guard, das Feuer auf dem führerlosen Schiff sei erloschen.

Am 24. Juni wurde dann schließlich der Untergang der Morning Midas am Tag zuvor gemeldet.


Autos an Bord

Die Ladung der Morning Midas setzte sich nach Meldungen der US Coast Guard wie folgt zusammen:

  • 3048 Fahrzeuge insgesamt
  • 70 batterieelektrische Fahrzeuge
  • 681 Fahrzeuge mit Hybridantrieb
  • Daraus abgeleitet also: 2297 reine Verbrennerfahrzeuge und 2978 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

In einer bisher so nicht beobachteten Auslegung wurde daraus in den meisten Teilen der Presse sofort ein Frachter “mit mehr als 700 Elektroautos an Bord”: PCTC Morning Midas Ablaze in Pacific with 700+ EVs Onboard, Crew Safely Evacuated

Zum Tankinhalt der 2978 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor kamen 1880 Tonnen(!) fossiler Betriebsmittel für das Schiff selbst, die beim Untergang – noch – nicht in die Umwelt ausgetreten waren.


Brandwahrscheinlichkeit pro Antriebskonzept

Die Hybriden sollen für eine ganz einfach gehaltene Betrachtung doppelt, sowohl als Verbrenner als auch als Elektroauto gezählt werden:

  • 2978 konventionelle Antriebe mit Verbrennungsmotor
  • 751 Elektroantriebe

Es gilt als erwiesen, dass das Brandrisiko bei Elektroautos nicht höher ist als bei Verbrennern. Für die Berechnung soll angenommen werden, dass es gleich hoch sei.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Brand von einem Elektroantrieb ausgegangen ist, liegt somit bei 751 ÷ 3048, also ziemlich genau 1:4 oder 25%. Das bedeutet im Umkehrschluss eine Wahrscheinlichkeit von 75%, dass der Brand durch einen Verbrennungsmotor entstanden ist.


Das Elektroauto-Deck

Gar nicht so einfach, eine sinnvolle Quelle zu finden, wonach die Besatzung den Brand auf dem Deck mit den Elektroautos beobachtet hat. Dieser etwas erratisch aufgebaute Artikel bei CNN aus den ersten Tagen berichtet: A large plume of smoke was initially seen at the ship’s stern coming from the deck loaded with electric vehicles

Es liegen keine öffentlich verfügbaren Informationen der Reederei vor; offenbar wurde ausschließlich direkt mit Presse und Coast Guard kommuniziert.

Das einzige, was die These mit dem Elektroauto-Deck stützen könnte, wäre, dass das Schiff gezielt auf Lücke beladen worden sein könnte, um die Elektroautos zu isolieren. Ich würde tatsächlich erwarten, dass von unten nach oben beladen wird, die schweren Elektroautos zuunterst, und dann auch keine Lücken gelassen werden, um den Schwerpunkt niedrig zu halten.

Will man der neuen Entwicklung folgen, dass Hybride als Elektroautos zählen, waren auf den entsprechenden Decks (nicht nur auf einem) hunderte Hybride mit Verbrennungsmotoren verladen und die These vom Elektroauto-Deck ist in sich nicht schlüssig.


Was bleibt?

Fakten schonmal keine, außer der Erkenntnis, dass 2978 Verbrennerantriebe und 751 Elektroantriebe an Bord waren. In jedem einzelnen Auto noch dazu explosives Kältemittel, das im Hinblick auf Brandrisiko und -bekämpfung nicht immer unumstritten war.

Ein Defekt am Schiff, oder Fahrlässigkeit, sind genauso denkbar wie ein Defekt an einem der Autos.

Anders als im Fall der Fremantle Highway, wo die am Brand schuldigen Elektroautos alle unbeschädigt von Bord gekommen sind, liegen alle Beweisstücke diesmal in kaum erreichbaren 5000 Metern Tiefe am Grund des Pazifik.



Chronologie der US Coast Guard


Über den Autor

Martin Schmitt ist in den 1990er Jahren nach Ausbildung und Berufstätigkeit als gelernter Speditionskaufmann in die IT gewechselt, hält sich also selbstbewusst für einen Experten in Logistikfragen.

Dieses Posting wurde – wie alle anderen auf diesem Blog – ohne die Unterstützung eines großen Sprachmodells (im Volksmund “künstliche Intelligenz”) verfasst.

Fremantle Highway – Chronologie nicht brennender 500 Elektroautos

500 Elektroautos waren an Bord, 500 Elektroautos wurden auf einem Deck entfernt vom Brandherd unbeschädigt vorgefunden, 500 Elektroautos gelten als Brandursache. Ganz normal.


Am 26. Juli 2023 geriet der Autofrachter Fremantle Highway in der Nordsee in Brand. Die Besatzung war gezwungen, das Schiff aufzugeben und zu verlassen, dabei kam tragischerweise ein Besatzungsmitglied ums Leben. Der Frachter trieb führerlos im Meer. Eine extrem bedrohliche Situation, denn die Fremantle Highway war gerade erst in Bremerhaven gestartet, hatte genug Schweröl für die Fahrt bis nach Singapur an Bord, und es drohte unmittelbar eine Ölpest im Wattenmeer.

Sofort wurde berichtet, unter den ca. 4000 Fahrzeugen an Bord seien ca. 25 Elektroautos (Handelsblatt, 26.07.2023, lokale Kopie des Artikels hier).

Die niederländische Küstenwache wurde zitiert, dass brennende Elektroautos an Bord Löscharbeiten erschweren könnten (Electrek, 26.07.2023 in englischer Sprache, lokale Kopie hier). Bezogen auf Löscharbeiten an Bord, unter der Voraussetzung, dass tatsächlich ein Fahrzeugakku gebrannt hätte, wäre ja auch objektiv nicht auszuschließen, dass Schiff und Besatzung möglicherweise nicht auf diese Situation vorbereitet gewesen sein könnten.

Eine Aussage, dass tatsächlich ein Elektroauto den Brand verursacht hatte oder auch nur mit in Brand geraten war, war von keiner Stelle getroffen worden. Es soll hier auch noch einmal verdeutlicht werden, dass tausende mit Verbrennungsmotor betriebene Fahrzeuge ebenfalls an Bord waren, mit Benzin in den Tanks und leicht entzündlichem Kältemittel in den Klimaanlagen (Der Spiegel, 12.04.2011).

In den Tagen darauf wurde die Anzahl der Elektroautos an Bord auf die auch zuletzt gemeldeten 498 erhöht (Tagesschau, 28.7.2023, lokale Kopie des Artikels hier).

Nachdem die Bildzeitung (29.7.2023, lokale Kopie des Artikels hier) als ausgewiesene Brandexpertin die 500 Elektroautos als wahrscheinlichste Brandursache identifiziert und die Presseabteilungen der Hersteller zur Rede gestellt hatte, galt die Geschichte von den 500 brennenden Elektroautos als beschlossene Sache und die Angelegenheit begann in den Kommentarsektionen so richtig zu gären. 500 brennende Elektroautos als Zerstörer des Wattenmeers, und an allem Schuld sind die Ökos und die Grünen! Was für eine Wendung des Schicksals!

Die ausgebrannte Fremantle Highway - Quelle: Verteidigungsministerium der Niederlande
Die ausgebrannte Fremantle Highway – Quelle: Verteidigungsministerium der Niederlande

2 Wochen später war das Feuer aus, die Gefahr für die Umwelt glücklicherweise gebannt, und die Fremantle Highway in einen sicheren Hafen geschleppt worden. Hier wurde festgestellt (Tagesschau, 11.08.2023, lokale Kopie des Artikels hier), dass die 498 Elektroautos sich auf einem tiefer gelegenen Deck befanden und beim Brand unbeschädigt geblieben waren:

Bei der Inspektion wurde nun deutlich, dass die unteren vier der zwölf Decks weitgehend unbeschädigt sind. Auch etwa 1.000 Autos, darunter 500 elektrische, seien auf den ersten Blick in gutem Zustand.

(Tagesschau-Artikel vom 11.08.2023)

Wenn alle 498 Elektroautos in gutem Zustand an Bord stehen, sollte eigentlich klar sein, dass der Brand nicht von den 498 Elektroautos ausgegangen sein kann. Aus Gründen, die sich dem nüchternen Betrachter nur schwer erschließen, stehen die 498 Elektroauos aber weiter im Fokus und Experten haben Angst, dass die 498 Elektroautos, die überhaupt nicht gebrannt haben, sich bei der Bergung erneut entzünden könnten:

“Das kann sehr gefährlich sein.” Man will nicht, dass die Autos sich durch den Transport erneut entzündeten, “und alles Elend von vorne anfängt”.

(Tagesschau-Artikel vom 11.08.2023)

Die Geschichte der Fremantle Highway ist also für immer als die vom Schiff mit den brennenden Elektroautos abgelegt, auf dem kein einziges Elektroauto gebrannt hat.

Update vom 04.09.2023

Eine niederländische Quelle (eemskrant.nl, 30.08.2023, Link via Google Translate, Direktlink zum eingebetteten Youtube-Video) berichtete als erste, ein vom Feuer beschädigtes Elektrofahrzeug habe sich erneut entzündet. Dass der Mercedes sich “erneut” entzündet habe, wird von keinem anderen Medium so formuliert (z.B. Welt, 01.09.2023).

Die enorm dicke Verrußung des Mercedes bei ansonsten relativ gutem Fahrzeugzustand dürfte nicht von einem sofort unter Kontrolle gebrachten Entstehungsbrand stammen, sondern vom Feuer an Bord im vergangenen Juli. Dass die anderen Autos, die von Bord kommen, im Gegensatz dazu sauber sind, könnte daran liegen, dass sie, früheren Presseberichten zufolge (NDR, 19.08.2023), noch an Bord gewaschen werden. Auf dem Foto eines weißen BMW i4 sind grau-braune Spuren am Dach zu erkennen (oben bereits verlinkt, Welt, 01.09.2023).

Der gute Zustand der sichtbaren Reifen des Mercedes spricht gegen einen Akkubrand, der in Fetzen herunterhängende Unterboden dagegen zumindest für Schäden in diesem Bereich. Ob diese Schäden beim Löschangriff oder bei der Bergung des Fahrzeugs aufgetreten sind, kann von hier aus nicht gesagt werden. Eine leichte Rauchentwicklung ist erst zu sehen, während über einen gelben Schlauch links im Bild bereits Wasser in den Container eingeleitet wird.